„High-Level-Konferenz“ der EU-Kommission: Lebensmittelhandel, Gentechnik-frei-Hersteller und Biobetriebe warnen vor möglicher Deregulierung der Neuen Gentechnik Wien, 29. November 2021 - Der aktuelle Prozess der EU-Kommission, mit dem neue gesetzliche Regelungen für eine Einführung der neuen gentechnischen Verfahren wie z.B. Crispr/CAS oder Talen auf dem europäischen Markt geschaffen und möglicherweise die seit mehr als 15 Jahren erfolgreich umgesetzte EU-Gentechnik-Gesetzgebung zugunsten vereinfachter Zulassungen abgeändert werden sollen, stößt auf heftige Kritik durch die Gentechnik-frei und biologisch produzierende und vermarktende Wirtschaft: Seit Jahren würde die Biotech-Lobby massiv auf eine Deregulierung der Neuen Gentechnik in der EU hinwirken. Dabei soll mit enormen Lobby-Budgets, politischem Druck und ungeprüften Versprech­ungen über möglichen Nutzen der neuen Verfahren die bestehende EU-Gentechnik-Gesetzgebung ausgehebelt werden. „Europas Konsument*innen wollen keine Gentechnik im Essen – das gilt für alte genauso wie für neue Gentechnik. Auch die aktuell in zahlreichen europäischen Ländern boomende Gentechnik-freie und biologische Lebensmittelwirtschaft lehnt eine Deregulierung der Zulassungs- und Kennzeichnungsregeln auf das Allerheftigste ab“, erklärt Markus Schörpf, Obmann der ARGE Gentechnik-frei im Vorfeld der heutigen High-Level Konferenz der EU-Kommission ‚Modern Biotechnologies in Agriculture‘. „Die EU-Kommission allerdings ignoriert dies bisher. Ohne Rücksichtnahme auf Konsument*innen, Biobäuer*innen und Ohne-Gentechnik-Wirtschaft sollen Kennzeichnung, Transparenz, Risikoabschätzung und damit Sicherheit und Wahlfreiheit für Konsument*innen geopfert werden, um der Neuen Gentechnik den Weg auf den Markt zu ebnen. Massive Bevorzugung für neue gentechnische Verfahren geplant Aus Berichten und der vorläufigen Folgenabschätzung der EU-Kommission geht deutlich hervor: Die EU-Kommission sträubt sich bei der Neuen Gentechnik gegen Trans­parenz, Kenn­zeich­nung und Wahlfreiheit für Verbraucher. Die bislang bei Gentechnik vorgeschrie­bene Risiko­bewertung soll für die Mehrzahl der mit den neuen gentechnischen Verfahren erzeugten Pflanzen abgeschafft werden. Auch die lückenlose Kennzeichnung soll getreu den Wünschen der Biotech-Lobby geopfert werden – obwohl sie wesentlicher Faktor für eine durchgehende Kontrolle der Warenketten und damit für die Wahlfreiheit von Herstellern und Verbrauchern ist. Risikoabschätzung, strenge und nachvollziehbare Zulassungsverfahren, Rückverfolg­barkeit über die komplette Warenkette hinweg, sowie Kennzeichnung und damit Wahlfreiheit für alle Verwender sind die unverrückbaren Elemente der Qualitätssicherung, die aus Sicht der Gentechnik-frei produzierenden Wirtschaft auch bei Neuer Gentechnik gewährleistet sein müssen. In einer stark beachteten „Retailers Resolution Against Deregulating New GMOs“ hatten im Mai 2021 der komplette österreichische Lebens­mittelhandel (!) und wichtige europäische Player im LEH eindringlich vor einer Deregulierung der Neuen Gentechnik gewarnt. Neue Gentechnik: Ungeprüft als „nachhaltig“ und „klimaschonend“ postuliert EU-Kommission und Biotech-Lobby bringen dabei Schlagworte wie „Neue Gentechnik dient dem Klimaschutz durch hitzeresistente Pflanzen“ oder „Neue Gentechnik schafft Nachhaltigkeit“ in die Debatte ein – allerdings ohne zu belegen, ob dies überhaupt möglich ist. Denn bisher sind gerade mal drei neue Konstrukte auf dem Markt; und keines davon erfüllt diese Kriterien. Hier scheinen wohl eher die Kernthemen Klimawandel und Nachhaltigkeit missbräuchlich vorgeschoben zu werden. „Gentechnik-freie Lebensmittel boomen, sowohl im Bio- als auch im konventionellen Sektor. Der Boom der Gentechnik-Freiheit geht mittlerweile weit über die Vorreitermärkte Österreich und Deutschland hinaus,“ erklärt Markus Schörpf. „Diese Erfolgsgeschichte würde durch eine Deregulierung massiv bedroht – denn damit kämen mit neuer Gentechnik erzeugte Pflanzen ungetestet, ungekennzeichnet und für Konsument*innen unsichtbar auf den Markt. Gentechnik-freie konventionelle und Bio-Produkte wären vor Kontamination nicht sicher. Ein Verlust von Verbrauchervertrauen und massive wirtschaftliche Einbußen wären die Folge.“  Die Gentechnik-freie Produktion gilt europaweit als Markenzeichen für die hohe Qualität österreichischer Lebensmittel und landwirtschaftlicher Produkte. Die ARGE Gentechnik-frei und die in ihr vertretenen Unternehmen und Verbände ersuchen daher die österreichische Bundesregierung auf das Eindringlichste, den Plänen der EU-Kommission eine klare Absage zu erteilen. Boomender Markt „Ohne Gentechnik hergestellt“ In Österreich sind 100% aller konventionellen Eier, Milchprodukte und Geflügelfleisch ohne Gentechnik hergestellt; der Gentechnik-frei Sektor erzielt Umsätze von knapp 2 Mrd. Euro. Vor wenigen Monaten hat die Bundesregierung in ihrem Aktionsplan für nachhaltige Beschaffung die Gentechnik-freie Produktion für viele Produktbereiche vorgeschrieben. In Deutschland sind drei Viertel des Milchmarkts „Ohne Gentechnik“; die gesamte „Ohne Gentechnik“-Branche machte im Jahr 2020 Umsätze von 12,6 Mrd. Euro (12% plus zu 2019). „Ohne Gentechnik“ hat einen Anteil von 5,4% am deutschen Lebensmittelmarkt.