27.01.2022

Austrian Standards: "Wer die Standards hat, hat den Markt"

Zu dieser Meldung gibt es: 1 Bild

Kurztext 253 ZeichenPlaintext

Austrian Standards hat mit Valerie Höllinger und Anton Ofner 2022 ein neues Führungsteam bekommen. Was sie vorhaben und wie wichtig und allgegenwärtig Standards sind, haben sie der APA erzählt.

Pressetext 7206 ZeichenPlaintext

Wien (APA) - Die neue Geschäftsführerin von Austrian Standards, Valerie Höllinger, hat von ihrer Vorgängerin Elisabeth Stampfl-Blaha "eine starke Organisation mit einem sehr soliden Fundament" übernommen, auch die Finanzierung sei gesichert, sagt Höllinger. Sie will Austrian Standards noch mehr als serviceorientierten Dienstleister profilieren und neue digitale Produkte entwickeln, wofür auch mehr Mitarbeiter mit IT-Kenntnissen benötigt werden.

"Unser Job ist es, den Wert für unsere Kunden noch zu steigern", sagte Höllinger, die ihren Posten mit Jahresbeginn angetreten hat, im Gespräch mit der APA. "Es geht in erster Linie darum, noch sehr viel konsequenter unser Tun und Handeln am Kunden auszurichten." Standardisierung sei eine wichtige Grundlage für den technischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Fortschritt. Darum müsse man auch bei Austrian Standards innovative Produkte und Geschäftsmodelle entwickeln. Es gehe darum, die vorhandene breite Expertise - "das ist der Schatz von Austrian Standards, wir sind ein Think Tank" - noch mehr zu bündeln und das House of Standards in der Wiener Heinestraße noch mehr für die Kunden zu öffnen.

Austrian Standards habe derzeit ein Jahresbudget von 18 Mio. Euro, die Personalkosten belaufen sich auf unter 60 Prozent, erklärte Höllinger, damit habe man die Personalkosten im Griff. "Die Frage ist: Kommen wir mit der Anzahl der Mitarbeiter aus und natürlich auch mit den vorhandenen Skills? Denn die Herausforderungen, die vor uns liegen, sind natürlich ganz stark das Thema Digitalisierung, digitale Produkteentwicklung und Geschäftsmodell-Entwicklung. Der Markt für Menschen, die das können, ist heiß umkämpft." Man werde sich als Arbeitgeber als attraktives und innovatives Unternehmen positionieren müssen, um auch gute Mitarbeiter anzusprechen. Derzeit hat Austrian Standards 130 aktive Mitarbeiter. "Dann haben wir auch 4.500 Expertinnen und Experten, die in der Normung mitarbeiten und die von über 2.000 Organisationen entsendet werden", erklärte Höllinger.

Wie wichtig Standards sind, habe China schon gut erkannt, sagte Anton Ofner, der Ende September Walter Barfuß als Präsident von Austrian Standards abgelöst hat. "Die haben die strategische Macht von Standards wirklich verstanden, sie haben Tausende und Abertausende hochqualifizierte junge Menschen, die in der Standardisierung tätig sind. Wenn irgendein Zukunftsthema identifiziert wird, haben sie enorme Ressourcen, die sich mit diesem Thema befassen." Es gebe in China sogar Masterstudiengänge, die sich schwerpunktmäßig mit Standards beschäftigen, "weil man dort verstanden hat: Wer die Standards hat, hat den Markt."

Auch für Österreich wünscht sich Ofner, dass das Thema Standards in den Lehrplänen der Universitäten, aber auch in der mittleren Bildung verankert wird. "Es ist ja im Moment so, und das darf ja wirklich nicht sein, dass ein Student die Uni verlässt und mit Standards überhaupt nie in Berührung gekommen ist." Es habe sich gezeigt, dass der wirtschaftliche Erfolg eines Unternehmens sehr stark mit dem Know-how des Unternehmens über Standards korreliere. Bei Austrian Standards wird dazu ein Ausschuss für "Forschung, Innovation und Standardisierung" gegründet, mit dem Forschungsergebnisse schneller in die Standardisierung eingebracht und die relevanten Akteure besser vernetzt werden sollen.

"Standards sind allgegenwärtig, sie sind uns nur nicht bewusst", sagte Höllinger. "Dass die Zahnbürste die Borsten nicht verliert, die Kaffeemaschine nicht überhitzt und gute Qualität hergibt, dass die Bankomatkarte ins Portemonnaie passt und in Bankomaten jeder Bank, dass die Daten, die in Netzwerken ausgetauscht werden, genormt sind - das sind Beispiele aus dem täglichen Leben." Ein ganz aktuelles Beispiel seien die Standards für Corona-Schutzmasken, sagte Ofner: "Wir haben den Standard kostenlos freigegeben, damit konnte sich jeder sofort in die Beschaffung begeben oder auch selbst produzieren."

Es sei ein Missverständnis, dass Standards Innovationshemmer seien, sagte Höllinger. "Ganz im Gegenteil, Standards sind Innovationstreiber", weil neue Produkte damit schneller auf den Markt gebracht werden könnten und man nicht am Markt vorbei entwickle. Austrian Standards sei sehr stark international unterwegs - über 90 % der Standards sind internationalen Ursprungs - und "wir bieten österreichischen Expertinnen und Experten die Möglichkeit, sich in unserem Netzwerk und unseren Partnerorganisationen Wissen anzueignen und mitzuwirken." Start-ups würden sich sehr aktiv einbringen, wobei es auch um die Definition neuer Themen gehe und darum, ein gemeinsames Verständnis von Begriffen zu schaffen.

Ein auch in Wirtschaftskreisen weit verbreiteter Irrtum ist laut Ofner, dass es sich bei Austrian Standards um "eine Behörde, ein Amt oder eine Art Kammer oder einen Teil der Wirtschaftskammer" handle. "Wir sind ein stiftungsähnlicher Verein, wir gehören uns selbst", erklärte Höllinger. Derzeit würden 7 Prozent des Finanzierungsbedarfs von Bund, Ländern und Wirtschaftskammer zur Verfügung gestellt, größtenteils für die Abgeltung von Urheberrechten. Der Rest sei eigenerwirtschaftet durch den Verkauf von Standards, aber auch durch Trainings, Bücher und Zertifizierungen. "Wir erfüllen einen öffentlichen Auftrag, sind aber privat organisiert", so Höllinger.

Die Mitgliedschaft bei Austrian Standards stehe prinzipiell jedem offen, derzeit gebe es über 600 Mitglieder. Man müsse aber nicht Mitglied werden, damit man an einer Norm mitarbeiten kann. Experten würden von der öffentlichen Hand entsandt, aber auch von NGO, Konsumentenverbänden, Forschungseinrichtungen, Behindertenorganisationen oder Unternehmen - mehr als 50 Prozent seien KMU. "Es besteht ein breiter fachlicher und gesellschaftlicher Konsens, wenn wir einen Standard auf den Weg bringen", sagte Ofner.

Die öffentliche Hand und die Kammern seien aber wichtige Partner, "denn die Wirtschaftskammer ist ja der gesetzliche Vertreter aller Unternehmen". Die Finanzierung von Austrian Standards sei mittelfristig sichergestellt, "aber es warten kolossale Aufgaben auf uns". In der "London Declaration" der internationalen Normungsorganisation ISO habe man sich zum Ziel gesetzt, nicht nur neue Standards am Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit zu orientieren, sondern auch bestehende Standards dahingehend zu überprüfen. "Das ist eine enorm ressourcenintensive Aufgabe", so Ofner. "Möchte man das wirklich ernst nehmen und durchführen, dann bräuchte das zusätzliche Ressourcen. Da sind natürlich die zuständigen Ministerien und die Interessensvertretungen Adressaten von Gesprächen, die wir in diese Richtung führen", hofft Ofner auf Unterstützung.

Die Juristin und ehemalige Geschäftsführerin des BFI Wien, Valerie Höllinger, war schon seit 2021 Mitglied der Geschäftsführung von Austrian Standards. Davor war sie unter anderen in den Branchen Unternehmensberatung, IT, Telekom, Getränkeindustrie und in der Erwachsenenbildung tätig. Anton Ofner ist Gesellschafter der MBB Biolab GmbH und MP Projekt GmbH sowie Mitglied des Kontrollausschusses der WKO und war Vizepräsident der Wirtschaftskammer Wien und Obmann der AUVA.

Quelle: APA (ivn/jeg)
Alle Inhalte dieser Meldung als .zip: Sofort downloaden In die Lightbox legen

Bilder (1)

Valerie Höllinger und Anton Ofner
3 508 x 2 480 © feelimage/Matern